Trotz Wolken: Alle warten auf einen Venus-Blick

Göttinger Tageblatt 07.06.2012

Trotz Wolken: Alle warten auf einen Venus-Blick

Mehr als 200 Frühaufsteher hoffen auf freien Himmel / Pünktlich zum Sonnenaufgang ziehen Wolken auf

Göttingen. Das war knapp: Gegen 4.45 Uhr ist der Himmel über Göttingen nur leicht bewölkt, Löcher in der leichten Wolkendecke machen Mut. Doch pünktlich zum Sonnenaufgang kurz nach 5 Uhr zieht von Westen eine dicke graue Wand über die Stadt — und das Institut für Astrophysik.

„Wir sind sogar richtig pünktlich aufgestanden“ sagen Annika und Melina Baar, die gemeinsam mit ihrem Vater um 5.30 Uhr ins Institut gekommen sind. Einen Live-Blick auf den Venustransit durch eines der Teleskope auf der Aussichtsplattform, das hatten sich nicht nur die beiden Schülerinnen erhofft. …

Auf der Plattform des Observatoriums gucken mehr als 120 Sternenfreunde in den Himmel. Sie hoffen. Vergeblich. „Naja, wenigstens regnet es nicht“, meinen zwei Göttingerinnen lachend. Sie zieht es bei frischen 6 Grad dann aber auch in einen der Seminarräume, in denen Livebilder aus dem Keck Observatory auf Hawaii und Satellitenbilder der Weltraumbehörde Nasa übertragen werden. Überall stehen Fachleute den Fragen der Besucher Rede und Antwort. „Wenn der Himmel klar wäre, hätten wir die Sonne als eine weiße Scheibe mit der Venus als kleinen schwarzen Punkt davor beobachten können“, erklärt Student Niclas Mrotzek. „Rund 20 unserer Mitarbeiter sind im Einsatz“, sagt Klaus Reinsch, Astrophysiker am Institut. Der helle Schimmer am Horizont verschwindet, die Hoffnung der Besucher auch. Zwar könnte der Transit des Planeten theoretisch von 5.05 bis 6.55 Uhr in Göttingen beobachtet werden, theoretisch. Praktisch lässt sich die Sonne nicht mehr sehen. Viele Schüler sind extra vor dem Unterricht mit ihren Eltern gekommen, das Theodor-Heuss-Gymnasiumrückt gleich mit einigen Klassen an. Ab 6.30 Uhr ist es richtig voll im Haus, mehr als 200 Besucher sind auf der Suche nach der Venus vor der Sonne.

Erstmals wurde in Göttingen 1761 die Beobachtung eines Venustransits von Tobias Mayer, Leiter der ersten Sternwarte in der Turmstraße, aufgezeichnet. „Ebenfalls an einem 6. Juni“, so Klaus Reinsch. „Der etwas wolkige Himmel verhinderte nicht, fast gleich nach dem Aufgang der Sonne, den Planeten in derselben wahrzunehmen“, schrieb Mayer. „Durch dünne Wolken, aber auch durch gefärbtes Glas konnte man ihn auch mit bloßen Augen erkennen“. In der alten Sternwarte und im Hainberg-Observatorium wurde der Transit 2004 beobachtet — „bei guter Sicht und bis zum Mittag“. Erstmals war die Sternwarte an der Nord-Uni jetzt Beobachtungsort.

Comments are closed.
Archive
error: Dieser Inhalt ist kopiergeschützt.