Zaghafte Klänge werden zum lauten Gali Gali

Göttinger Tageblatt 20.02.2013

Zaghafte Klänge werden zum lauten Gali Gali

Einmal in der Woche probieren Schüler Geigen und Celli aus — demnächst geben sie ein  Konzert
Von Michael Schäfer

Göttingen. „Üben, üben, üben. Und nicht das Cello vergessen, nicht den Bogen vergessen, nicht die Noten vergessen!“ 31 junge Musikerinnen und Musiker, zwischen acht und zehn Jahre alt, sitzen im Musikraum der Göttinger Höltyschule. Sie wissen genau, was sie bis zu ihrem Auftritt am 28. Februar in der Aula des benachbarten Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG) tun müssen. Ulla Schimpf ist ihre Dirigentin, bei ihr und ihrer Kollegin Ulrike Haase haben viele Geiger und Cellisten auch gelernt, wie sie das Instrument spielen.

Vier Musikstücke stehen heute auf dem Programm: „Zum Gali Gali“, „John Ryan?s Polka“, „Relay Race“ (ein musikalischer Staffellauf) und ein französisches Volkslied. Neben den Streichern — Geigen und Celli — gibt es in diesem Orchester sechs Blockflöten, zwei Perkussionistinnen, zwei Klavierspielerinnen und einen Trompeter.

Lena (9) ist heute am Klavier für den Stimmton A zuständig. Hinterher geht ihre Kollegin Isabella ans Klavier, Lena bedient verschiedene Schlaginstrumente. Trompeter Julian (10) hat seine Noten nicht dabei. Aber seinen Part in dem irischen Stück „John Ryan?s Polka“ beherrscht er trotzdem prima: „Das kann ich auswendig, das sind ja nur vier Töne“. Früher, erzählt er, gab es im Orchester, auch eine Klarinette. Aber die ist jetzt nicht mehr auf der Schule.

„Setzt euch gerade hin, nehmt die Geige schön hoch“, sagt Ulla Schimpf — und fragt vorher ihre Musiker, woran sie denken sollen. Franka weiß Bescheid: „Wir sollen alle zusammenspielen. Und immer auf dich gucken.“ Woran sie noch denken sollen? An die Lautstärke, richtig. Und wie nennt man das? Das weiß Rasmus: „Crescendo heißt lauter werden, Decrescendo heißt leiser werden.“ „Das brauchen wir, damit das Stück nicht langweilig wird“, erklärt die Dirigentin.

Und nun startet „Zum Gali Gali“. Noch ein bisschen zu zaghaft, meint Ulla Schimpf: „Spielt richtig laut und voll“, sagt sie und wünscht sich auch ein flotteres Tempo: „Das klang wie Schnecke!“ Den Schluss möchte sie ebenfalls verbessern. Sie fragt: „Wie ist das mit dem Aufhören?“ Theresa weiß die Antwort: „Man soll bis vier zählen.“ Die Kritik wirkt: Beim zweiten Mal macht „Zum Gali Gali“ allen schon richtig Spaß.

Vor zehn Jahren haben Musiklehrer des Deutschen Tonkünstlerverbands (DTKV) dieses Schulprojekt an der Höltyschule gestartet. Einmal wöchentlich können Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klassen in der Gruppe Geigen und Celli kennenlernen, die sie auch ausleihen dürfen. Wer Spaß daran bekommen hat, kann später privat Unterricht nehmen. Das Orchester schließt sich in der dritten und vierten Klasse an dieses Projekt an. Auch im THG wird musikinteressierten Kindern ein besonderes Streicherprojekt angeboten. Das sieht etwas anders aus als das Grundschulprojekt: Alle Instrumente eines Streichorchesters spielen im Streicherklassenunterricht von Anfang an zusammen. Gemeinsam erlernen alle Kinder die ersten Schritte auf dem Instrument. Erfunden hat diese Form des Unterrichts der amerikanische Geigenlehrer Paul Rolland. Zusätzlich gibt es noch für jedes Instrument einen Kleingruppenunterricht, den ebenfalls Musiklehrer des DTKV anbieten. Das Göttinger Symphonie-Orchester (GSO) war an diesen Projekten interessiert. So hatte der frühere GSO-Dirigent Christian Simonis die Schirmherrschaft übernommen. Und der heutige Dirigent Christoph-Mathias Mueller schickt zum Konzert ein Grußwort.

Die Probe ist nach einer Dreiviertelstunde zu Ende. Alle sind nach dem langen Schultag ziemlich geschafft, der Magen knurrt, das Mittagessen wartet. Ulla Schimpf muss einmal auch etwas energisch werden: „Das ist doch kein Orchester, das ist eher ein Ameisenhaufen!“ Aber wenig später sagt sie zuversichtlich: „Eigentlich haben wirs ja schon drauf.“

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